Samantha (Foto: Finca Lucendum, FL) |
Wie es überhaupt neulich bei diesem
Besuch so spontan passieren konnte, weiß ich nicht. Es ist ja
wirklich nicht meine Art, so was zu machen. Oder besser gesagt, ich
mache es außerhalb meiner Familie nie, bei niemandem, auch nicht bei
der Mama meiner besten Freundin Zina. Aber ich habe einfach das
zwingende Bedürfnis gehabt und konnte oder wollte mich gar nicht
zurückhalten.
Ich habe meiner Mama Gisi ein Küsschen
gegeben!
Ich war genau so erschrocken darüber
wie mein Mamamensch und mein Papamensch überrascht und froh darüber
waren. Was Mama Gisi darüber dachte, weiß ich nicht, weil ich
danach gar nicht mehr in ihre Richtung schaute. Aus
Sicherheitsgründen, natürlich. Nicht, dass sie denken würde, ich
möchte wieder zurück zur Finca Lucendum, denn ohne meinen Mama- und
Papamenschen gehe ich nirgendwo mehr hin. Das wollte ich mal
klarstellen, aber das Küsschen war ehrlich. Es war ein Ausdruck von
meiner ewigen Dankbarkeit darüber, dass Gisi und Ralf meine
Tochter Samantha und mich gerettet haben.
Wir saßen alle gemeinsam in einem Cafe
nicht so weit weg von meinem Zuhause. Neben mir saß mein Papa Ralf,
dem ich erlaubte, mich zu streicheln. Das hatte ich auch nie bei
ihren früheren Besuchen erlaubt, aber da schon das mit dem Küsschen
passiert war, konnte ich mich trauen und genoß es einfach. Ihm
gegenüber bin ich ja auch genau so ewig dankbar. Das können sie
ruhig wissen und langsam kann ich es ihnen ein bisschen Zeigen, ohne
Angst zu haben, meinen Mama- und Papamenschen dadurch zu verlieren.
Aber übertreiben soll man das alles nicht, Hund kann ja nie absolut
sicher sein.
Plötzlich mußte ich aufhorchen, weil
ich den Namen von meiner Tochter Samantha hörte. Was war mit ihr?
Sie lebt ja seit unserer Rettung vor ungefähr zwei Jahren auf der
Finca Lucendum bei Gisi und Ralf. Ich sollte wohl eher sagen, bei
ihrer großen Liebe Unai, weil meine Samantha sich immer noch nicht
von Menschen anfassen läßt. Von keinem. Unai ist ihr
Samantha mit ihrem Unai (Foto: FL) |
Es macht mich oft trübselig, wenn ich
daran denke, wie unser Leben vor der Finca Lucendum war. Wie schon
erzählt, ist unser Futtermensch, der alte Mann, ja plötzlich
verstorben und die Verwandten räumten das Haus danach aus und ließen
uns fünf Hunde alleine in diesem alten, zerfallenen Gebäude zurück.
Diese endlosen Monate mit Furcht und Angst waren das schlimmste, was
uns jemals passiert ist. Darüber genauer zu berichten mag ich ja
nicht, aber eine Sache läßt mir keine Ruhe: für uns erwachsene
Hunde war es schon schlimm, richtig schlimm, aber wie mag es wohl
dann für meine liebe arme Tochter gewesen sein, die damals erst ein
Baby war?
Foto: Finca Lucendum |
Nube – übersetzt Wolke – nannte
ich meine kleine süße Tochter damals, weil sie wie eine niedliche
weiche Wolke aussah. Meine Nube hatte noch keine Beziehung zu unserem
Futtermenschen aufgebaut, weil sie einfach zu jung war. Danach
bedeuteten alle Menschen für uns nur Gefahr, weil wenn sie einen von
uns erwischten, gab es nur Schläge, Tritte und schlimmeres. Der
Mensch war für uns die größte Gefahr, vor der wir uns schützen
mußten. Einer von uns vier Erwachsenen paßte immer auf, besonders
auch Nachts, und es war auch dringend notwendig, weil sehr oft kam
jemand, hauptsächlich Jugendliche, und wir mußten flüchten und uns
verstecken. Nube war völlig verängstigt, weil sie die Angst von uns
Erwachsenen spürte und weil ich sie nur dadurch schützen konnte,
dass ich ihr immer wieder sagte, sie soll sofort weg rennen und sich
verstecken, wenn Menschen uns zu Nahe kamen.
Meine Nube lernte in ihren ersten
Monaten nur, dass der Mensch böse ist. Ich hätte ihr gerne etwas
anderes beigebracht und sie verschont, aber unsere Wirklichkeit war
nun mal so. Wenn ich ihr gesagt hätte, sie soll Vertrauen haben und
dass nicht alle Menschen so sind, hätte ich sie in größte Gefahr
gebracht. Ich konnte nicht anders. Meine liebe arme Nube. Meine arme
kleine Tochter. Wie soll sie nach all dem glauben, dass es gute
Menschen gibt, sehr selten nur für uns verlassene Hunde, aber dass
es sie doch gibt?
Unai und Samantha (Foto: FL) |
Nach unserer Rettung durch Mama Gisi
und Papa Ralf bekam meine Tochter einen neuen Namen, Samantha, den
ich wunderbar und sehr passend finde. Alle meine Beteuerungen, dass
diese Menschen uns garantiert nichts Böses wollen, hätte sie gerne
geglaubt, aber sie kann nicht. Es tat mir in der Seele so weh, als
ich sah, wie sie irgendwo hockte und zuschaute, wie die anderen
Finca-Hunde gestreichelt und geschmust wurden. Sie möchte es auch so
gerne mal erleben, aber sie kann ihre Angst und die Vergangenheit
nicht so leicht vergessen.
Unai und Samantha (Foto: FL) |
Unai ist ihr eine große Hilfe. Weil
ich wußte, dass sie mit ihm glücklich ist und dass sie nie getrennt
werden, konnte ich damals vor zwei Jahren doch etwas beruhigt mit
meinem neuen Mamamensch nach Deutschland gehen. Unai ist ein
herzensguter Kerl, dem man immer vertrauen kann.
Aber nun hatten Gisi und Ralf doch
etwas neues zu berichten. Meine Samantha habe angefangen zu spielen!
Sie habe einen Spielkameraden Namens Domingo gefunden und würde mit
ihm herum toben und spielen! Es sind so gute Nachrichten, weil sie
auch Spielen von früher her nicht kannte. Für mich bedeutet diese
herrliche Nachricht, dass meine kleine liebe Tochter, meine Nube,
doch langsam anfängt sich zu öffnen und vor allem aufhört, dauernd
zu grübeln und Angst zu haben. Wer spielt, ist in dem Moment
glücklich! Hoffentlich treffe ich meine Mama Gisi und meinem Papa
Ralf bald wieder und sie bringen neue gute Nachrichten von der Finca
Lucendum mit.
Unai, Domingo und Samantha (Foto: FL) |