Freitag, 26. Juli 2013

Ein Kuss und Neuigkeiten von meiner Tochter Samantha

Samantha (Foto: Finca Lucendum, FL)


Wie es überhaupt neulich bei diesem Besuch so spontan passieren konnte, weiß ich nicht. Es ist ja wirklich nicht meine Art, so was zu machen. Oder besser gesagt, ich mache es außerhalb meiner Familie nie, bei niemandem, auch nicht bei der Mama meiner besten Freundin Zina. Aber ich habe einfach das zwingende Bedürfnis gehabt und konnte oder wollte mich gar nicht zurückhalten.





Ich habe meiner Mama Gisi ein Küsschen gegeben!



Ich war genau so erschrocken darüber wie mein Mamamensch und mein Papamensch überrascht und froh darüber waren. Was Mama Gisi darüber dachte, weiß ich nicht, weil ich danach gar nicht mehr in ihre Richtung schaute. Aus Sicherheitsgründen, natürlich. Nicht, dass sie denken würde, ich möchte wieder zurück zur Finca Lucendum, denn ohne meinen Mama- und Papamenschen gehe ich nirgendwo mehr hin. Das wollte ich mal klarstellen, aber das Küsschen war ehrlich. Es war ein Ausdruck von meiner ewigen Dankbarkeit darüber, dass Gisi und Ralf meine Tochter Samantha und mich gerettet haben.

Wir saßen alle gemeinsam in einem Cafe nicht so weit weg von meinem Zuhause. Neben mir saß mein Papa Ralf, dem ich erlaubte, mich zu streicheln. Das hatte ich auch nie bei ihren früheren Besuchen erlaubt, aber da schon das mit dem Küsschen passiert war, konnte ich mich trauen und genoß es einfach. Ihm gegenüber bin ich ja auch genau so ewig dankbar. Das können sie ruhig wissen und langsam kann ich es ihnen ein bisschen Zeigen, ohne Angst zu haben, meinen Mama- und Papamenschen dadurch zu verlieren. Aber übertreiben soll man das alles nicht, Hund kann ja nie absolut sicher sein.

Plötzlich mußte ich aufhorchen, weil ich den Namen von meiner Tochter Samantha hörte. Was war mit ihr? Sie lebt ja seit unserer Rettung vor ungefähr zwei Jahren auf der Finca Lucendum bei Gisi und Ralf. Ich sollte wohl eher sagen, bei ihrer großen Liebe Unai, weil meine Samantha sich immer noch nicht von Menschen anfassen läßt. Von keinem. Unai ist ihr
Samantha mit ihrem Unai (Foto: FL)
Beschützer und bester Freund. Es macht mich unendlich glücklich zu wissen, dass sie beide immer zusammen auf der Finca bleiben dürfen. Früher habe ich gar nicht gewußt, dass es Menschen mit so einem guten Herz gibt, Menschen, die so etwas ermöglichen und ihr Wort auch halten.

Es macht mich oft trübselig, wenn ich daran denke, wie unser Leben vor der Finca Lucendum war. Wie schon erzählt, ist unser Futtermensch, der alte Mann, ja plötzlich verstorben und die Verwandten räumten das Haus danach aus und ließen uns fünf Hunde alleine in diesem alten, zerfallenen Gebäude zurück. Diese endlosen Monate mit Furcht und Angst waren das schlimmste, was uns jemals passiert ist. Darüber genauer zu berichten mag ich ja nicht, aber eine Sache läßt mir keine Ruhe: für uns erwachsene Hunde war es schon schlimm, richtig schlimm, aber wie mag es wohl dann für meine liebe arme Tochter gewesen sein, die damals erst ein Baby war?
Foto: Finca Lucendum

Nube – übersetzt Wolke – nannte ich meine kleine süße Tochter damals, weil sie wie eine niedliche weiche Wolke aussah. Meine Nube hatte noch keine Beziehung zu unserem Futtermenschen aufgebaut, weil sie einfach zu jung war. Danach bedeuteten alle Menschen für uns nur Gefahr, weil wenn sie einen von uns erwischten, gab es nur Schläge, Tritte und schlimmeres. Der Mensch war für uns die größte Gefahr, vor der wir uns schützen mußten. Einer von uns vier Erwachsenen paßte immer auf, besonders auch Nachts, und es war auch dringend notwendig, weil sehr oft kam jemand, hauptsächlich Jugendliche, und wir mußten flüchten und uns verstecken. Nube war völlig verängstigt, weil sie die Angst von uns Erwachsenen spürte und weil ich sie nur dadurch schützen konnte, dass ich ihr immer wieder sagte, sie soll sofort weg rennen und sich verstecken, wenn Menschen uns zu Nahe kamen.

Meine Nube lernte in ihren ersten Monaten nur, dass der Mensch böse ist. Ich hätte ihr gerne etwas anderes beigebracht und sie verschont, aber unsere Wirklichkeit war nun mal so. Wenn ich ihr gesagt hätte, sie soll Vertrauen haben und dass nicht alle Menschen so sind, hätte ich sie in größte Gefahr gebracht. Ich konnte nicht anders. Meine liebe arme Nube. Meine arme kleine Tochter. Wie soll sie nach all dem glauben, dass es gute Menschen gibt, sehr selten nur für uns verlassene Hunde, aber dass es sie doch gibt?

Unai und Samantha (Foto: FL)
Nach unserer Rettung durch Mama Gisi und Papa Ralf bekam meine Tochter einen neuen Namen, Samantha, den ich wunderbar und sehr passend finde. Alle meine Beteuerungen, dass diese Menschen uns garantiert nichts Böses wollen, hätte sie gerne geglaubt, aber sie kann nicht. Es tat mir in der Seele so weh, als ich sah, wie sie irgendwo hockte und zuschaute, wie die anderen Finca-Hunde gestreichelt und geschmust wurden. Sie möchte es auch so gerne mal erleben, aber sie kann ihre Angst und die Vergangenheit nicht so leicht vergessen.

Unai und Samantha (Foto: FL)
Unai ist ihr eine große Hilfe. Weil ich wußte, dass sie mit ihm glücklich ist und dass sie nie getrennt werden, konnte ich damals vor zwei Jahren doch etwas beruhigt mit meinem neuen Mamamensch nach Deutschland gehen. Unai ist ein herzensguter Kerl, dem man immer vertrauen kann.


Aber nun hatten Gisi und Ralf doch etwas neues zu berichten. Meine Samantha habe angefangen zu spielen! Sie habe einen Spielkameraden Namens Domingo gefunden und würde mit ihm herum toben und spielen! Es sind so gute Nachrichten, weil sie auch Spielen von früher her nicht kannte. Für mich bedeutet diese herrliche Nachricht, dass meine kleine liebe Tochter, meine Nube, doch langsam anfängt sich zu öffnen und vor allem aufhört, dauernd zu grübeln und Angst zu haben. Wer spielt, ist in dem Moment glücklich! Hoffentlich treffe ich meine Mama Gisi und meinem Papa Ralf bald wieder und sie bringen neue gute Nachrichten von der Finca Lucendum mit.
Unai, Domingo und Samantha (Foto: FL)




























Mittwoch, 10. Juli 2013

Das Ur-Laub und mein Mamamobil

Den Tag vor der Abreise fand ich furchtbar aufregend. Sofort als die Koffer und die großen Taschen hervor geholt wurden, wußte ich, dass meine Menschen irgendwohin fahren würden und auch für länger als nur einen Tag. Als ich aber nirgends meinen eigenen Rucksack entdecken konnte, wurde mir ganz mulmig, weil ich auf keinen Fall alleine zu Hause bleiben wollte. Um meinen lieben – und manchmal leider etwas begriffsstutzigen – Menschen meine Absicht zu verdeutlichen, folgte ich ihnen den ganzen Tag Schritt für Schritt. Ich wurde langsam so nervös, dass ich nur auf den Schoß wollte, weil sie so auf keinen Fall ohne mich wegfahren konnten. Endlich zeigte mein Papa-Mensch mir meinen Rucksack und sagte, dass wir Ur-Laub hätten und dass ich natürlich mitkäme.

Mit Ur-laub konnte ich nicht so viel anfangen. Laub kannte ich natürlich von Schnüffeln her. Vielleicht meinten meine Menschen irgendein Ur-Laub am Amazonas. Besser ein Fluß als ein Meer. Aber warum mußten sie dann so viel Krempel und Kleider mitnehmen? In einem Regenwald muß man doch keine schönen Sachen anziehen – oder die Stadtklamotten, wie mein Mama-Mensch immer sagte. Regenkleidung würde doch reichen, wobei ich allerdings kein Regen mag. Sie packte aber so viel ein, dass der Kleiderschrank fast leer war. Würden wir für immer dort bleiben? Vielleicht bedeutet es, dass meine Menschen aus irgendeinen Grund ein neues Revier suchen wollen. Mir gefiel der Gedanke gar nicht so gut, weil ich eigentlich keine Veränderungen mag. Ich hatte ja in meinem ersten Leben in Spanien schon so einiges durchgemacht, wurde verlassen und viel Furchtbares ist passiert, bevor mich Gisi und Ralf von der Finca Lucendum gerettet haben. Eine Sekunde lang dachte ich daran, ob meine Menschen nun vorhatten, mich auch zu verlassen, aber da war ja mein Rucksack. Und das würden sie sicher niemals tun, sicher nicht, nicht wahr, so was würden sie sicher niemals nicht tun, hatten sie versprochen, dass nie, dass nie, nie, nie...oder doch?

Um auf andere Gedanken zu kommen, versuchte ich ein Gespräch mit den Katzen, Vili und Clara, anzufangen und fragte, ob sie nicht Lust hätten, mit zu kommen. Vili wurde bei dem bloßen Gedanken daran, die Wohnung verlassen zu müssen, hysterisch und fing fast an zu heulen. Clara mauzte, dass sie keine Lust habe, sich stundenlang im Auto zu übergeben, weil Ur-Laub sicher nicht hier in der Nähe zu finden war - und Amazonas schon mal gar nicht. Als ich die Kaninchen, Happy und Max, ebenfalls fragte und sogar vorschlug, dass sie ihre Karotten und ihr Grünzeugs bei mir in den Rucksack hinein tun könnten, starrten beide mich nur verständnislos an und mümmelten weiter. Na ja, dann eben nicht. Anscheinend würde auch der Oma-Mensch bei ihnen bleiben, weil sie keine Anstalten machte, Koffer zu packen.

Am nächsten Morgen war ich total übernächtigt, weil ich die ganze Nacht aufgepaßt hatte, dass meine Menschen bloß nicht ohne mich aufbrechen. Im Auto durfte ich auf meiner neuen Kühldecke, die ich zum Geburtstag bekommen hatte, liegen. Es war herrlich, obwohl es draußen wieder richtig warm wurde. Wegen der ganzen Anstrengung schlief ich ein und bekam von der ganzen Fahrt überhaupt nichts mit. Ein Mal wachte ich auf, als wir hielten. Zuerst dachte ich, wir seien am Ziel, weil mein Papa-Mensch voller Freude verkündete, wir seien in unserem alten Revier. Offenbar hatte aber mein Schwester-Mensch nicht die Absicht, mit uns ins Ur-Laub zu fahren, denn sie stieg aus, um zu den Sardinen zu fliegen. Sie muß wohl  Fisch sehr mögen.

Als ich das nächste mal aufwachte, war ich sehr überrascht, als wir an einem Ort ankamen, den ich schon kannte. Wir waren nämlich schon mal da gewesen, wohl letzten Sommer. Aber ich wußte gar nicht, dass das der Amazonas ist. Es ist ein kleines Dorf auch an einem riesigen Fluß, welcher aber wohl Moses oder so ähnlich heißt. Sogar die Unterkunft war dieselbe, wie ich sofort erkannte. Anscheinend würden wir hier
wieder einige Tage bleiben und das Revier erkunden, obwohl ich den ganzen Zusammenhang immer noch nicht begriff.

Es ging wohl doch um ein neues Zuhause für uns. Ich hörte nämlich, wie mein Papa-Mensch davon sprach, Berge zu besichtigen. Sie wollten wohl zuerst einen Berg zum wohnen finden und dann die anderen Tiere und Menschen von Zuhause holen. Das fand ich schon interessant, weil so auf einem Berg in mitten der Natur zu leben, wäre sicher spannend. Wir wären wie ein richtiger Wolfsrudel, zwar mit Katzen und Kaninchen, aber immerhin! Aber vielleicht gab es dort auch echte Wölfe? Bisher hatte ich nur einen Wolf getroffen, und der war eigentlich nur ein Halbwolf – nämlich Antonia von Finca Lucendum. Sie ist nett und freundlich, aber
wie würde ich mit wilden Wölfen zu recht kommen? Wieder machte ich mir viel zu viele Gedanken, weil ich beim genaueren Hinhören feststellen mußte, dass es gar nicht um Berge sondern eigentlich um Burgen ging. Eine Burg zum wohnen wäre natürlich viiiiiiiiel sicherer, wenn man an die Wölfe denkt.

Eine Sache hatte ich aber richtig verstanden: eine Burg liegt meistens auf einem Berg. Dort, wo wir jetzt wohnen, war alles flach, flacher geht es gar nicht. Es gibt keine Berge, keine Hügel und auch keine Erhöhungen. Es geht nicht rauf und drunter, wie an dem Moses. Sogar unten im Dorf, wo es so gemütlich am Fluß ist, mußten sie alles bergig bauen, bishin zu den kleinsten Brücken.
Bergauf zu laufen fand ich total ungewohnt, meine Beine fühlten sich so schwer an und es wurde so schnell furchtbar warm. Ich mochte das überhaupt nicht. Zum Glück hatte ich mein Mamamobil dabei und immer wenn ich niedlich guckte, erbarmte sie sich. So ein Mamamobil kann ich nur jedem Hund empfehlen. Ein bisschen wunderte es mich zwar, warum mein Mobil immer so überhitzte, es keuchte und wurde rot, aber sonst funktionierte es doch perfekt.
Mein Mamamobil
So eine Burg muß aber gut ausgewählt werden, wenn man beabsichtigt, da drin zu wohnen. Deswegen war es wohl auch für meine Menschen sehr schwer, die richtige zu finden. Eine Burg zum Beispiel war eine
Erlebnisburg, aus der uns schon von weitem lautes Geschrei von unzähligen Kindern entgegen schwirrte. Da ich so meine Erfahrungen mit einigen Kindern in Spanien gemacht habe, gingen wir gar nicht erst näher. In einer anderen Burg wollten sie gar keine Hunde haben, auch nicht auf dem Hof. Das fanden wir alle natürlich doof, besonders weil die Burg sehr schön ist und dort auch noch ein Ritter wohnt. Mein Mama-Mensch meinte, dass alle Ritter schon längst weg seien, aber mein Papa-Mensch sagte, dass er gerade einen Schatten von einem Ritter am Fenster gesehen hätte. Ich verstand nicht richtig, warum mein Mama-Mensch das nicht interessant, geschweige denn witzig fand, sondern lieber besonders schnell weg wollte.

Dort wohnt ein Ritter

Laaangweiliiiig

Es wurde dann doch nichts mit den Burgen. Meine Menschen waren anscheinend ziemlich verzweifelt, weil sie auch noch mehrere Städte und Dörfer besichtigten, wohl  um irgendetwas wohnbares zu finden. In einer Stadt führten sie mich sogar zu einer Ruine, wo früher irgendwelche Römer gewohnt hatten. Mein Mama-Mensch hat das noch genauer erklärt, aber ich fand es erstens doch etwas ungemütlich, in so einer Ruine zu wohnen und zweitens
die Geschichte mit den Römern irgendwie etwas langweilig. Trotzdem versuchte ich interessiert rein zu schauen.

An diesem Moses war es schon schön, das muß ich sagen. Ein trauriges Erlebnis hatten wir aber doch. Mein
Mama-Mensch und ich hatten eine Entenmama mit neun ganz winzigen Küken am Fluß gesehen. Am nächsten Tag waren es aber nur noch vier Küken. Um uns zu trösten, sagte mein Papa-Mensch, dass es mit Sicherheit eine andere Entenfamilie gewesen ist. Mein Mama-Mensch und ich taten so, als ob wir ihm glaubten. Aber die vier Kleinen sah ich auf jeden Fall noch am letzten Tag. Meine Menschen hatten nämlich wohl doch keine Bleibe dort gefunden und so entschieden sie, zurück ins Flachland zu fahren. Ich habe es nicht laut gesagt, aber sie haben wohl doch bemerkt, wie sehr ich mich freute, mein eigenes Revier wieder beschnüffeln zu können.
Tschüß, Moses!
Ab ins Flachland zurück!