Meine ersten drei Tage auf der Finca
Lucendum habe ich nur wie durch einen Nebel wahrgenommen. Ich war so
erschöpft, dass ich nur schlief oder irgendwie vor mich hin döste.
Ich hatte zwar mitbekommen, dass meine Tochter Samantha mich mit
strahlenden Augen begrüßte und mir etwas erzählte, aber ich war zu
müde und mußte einfach schlafen. Paulinchen, die kleine Hündin,
wollte mir alles zeigen, aber auch das mußte warten. Jedoch spürte
ich , dass ich in Sicherheit war. Keiner bedrohte mich, keiner
schlug mich,
Foto: Finca Lucendum |
Plötzlich fiel mir wieder ein, was
meine Tochter mir erzählt hatte. Sie hatte etwas von einem Freund
erzählt! Ja, bin ich noch bei Trost? Ich habe drei Tage verschlafen,
obwohl meine Tochter einen Freund kennengelernt hat. Vielleicht
sollte ich mich besser etwas beruhigen, bevor ich Samantha aufsuchte.
Schließlich war sie ja schon fast erwachsen, ich sollte mich deshalb
nicht so aufregen. Aber ihren Freund wollte ich auf jeden Fall erst
ein Mal begutachten. Paulinchen hatte anscheinend gesehen, dass ich
wieder munterer war. Jetzt wollte sie mir endlich alles zeigen. Das
paßte mir sehr gut, es war ja eine ausgezeichnete Ablenkung, bevor
ich meine Tochter wiedertraf.
Foto: Finca Lucendum |
Zuerst gingen wir zu den Chefinnen.
Alle auf der Finca gehorchten Antonia und Bonnie Blue. Antonia war
etwas kurz angebunden und begrüßte mich nur knapp. Bonnie Blue
nickte mir wortlos zu. Das war eigentlich gut, weil mir doch etwas
Bange war. Sie strahlten Autorität aus und alle wußten sicher
instinktiv, dass man sie besser respektierte.Trotzdem waren sie doch
sehr freundlich. Paulinchen erzählte mir, dass Antonias Vater ein
echter Wolf gewesen ist und dass sie allen beigebracht hat, wie man
wölfisch singen kann. Manchmal sangen alle zusammen und die Menschen
bewunderten es.
Chico und Antonia, Foto: Finca Lucendum |
Ach ja, die Menschen. Ich hatte sie
schon ein bisschen verdrängt. Trotz meines Dämmerzustandes hatte
ich bemerkt, dass sie mir jeden Tag etwas zu essen und zu trinken
gebracht hatten. Ich blickte mich um und sah die Frau draussen mit
einer komischen Karre hantieren. Sie brachte etwas zu Tieren, die
überaus merkwürdig aussahen. Paulinchen klärte mich auf. Die Frau
hieß Gisi und sie brachte gerade Heu zu den Pferden! Von Pferden
hatte ich zwar schon mal gehört, aber gesehen hatte ich bisher
keine. Paulinchen behauptete, auf der Finca lebten auch noch
Schweine, Ziegen und Gänse. Nun, ob ich das glauben sollte, wußte
ich nicht so recht.
Foto: Finca Lucendum |
Es lebten sehr viele andere Hunde auf
der Finca. Ich zählte zehn, aber es waren viel mehr. Sicher drei
oder vier mal mehr. Ich fühlte mich doch etwas unsicher. Als die
anderen Hunde mich entdeckten, hielt Paulinchen sie davon ab, dass
sich alle gleichzeitig auf mich stürzten. Ich konnte mir die vielen
Namen gar nicht merken. Es wunderte mich aber sehr, dass alle so
freundlich zu mir waren.
Foto: Finca Lucendum |
Als ich von hinten Schritte hörte,
erschrak ich. Der zweite Mensch kam auf uns zu. Und was tat er? Er
kniete sich hin und ließ mich an seine Hand schnüffeln. Ein Mensch
kniete sich vor mich hin, das konnte nicht wahr sein! Ich schnupperte
vorsichtig an der Hand und der Mann zauberte für Paulinchen und für
mich ein Stückchen Käse hervor. Ganz sanft streichelte der Mann
meine Schulter. Sein Name ist Ralf, flüsterte Paulinchen. Schon an
dem Abend schlief ich auf seinem Schoß.
Pia auf Ralfs Schoß, Foto: FL |
Diese zwei Menschen, Gisi und Ralf,
sind für mich die größten Helden überhaupt geworden. Ich erfuhr,
dass
Karolina, Foto: Finca Lucendum |
Sie waren sogar zu allen Nervensägen,
wie zum Beispiel Spike, sehr lieb. Es war wieder Paulinchen, die mich
über ihn aufklärte. Spike ist ein richtig kleiner Kerl mit großen
Augen und noch größerer Klappe. Er hält sich für den Chef der
Finca. Einige lassen ihn in dem
Spike, hinten Bonnie Blue, Foto: FL |
Ich lernte auf der Finca viele liebe
Freunde kennen, hörte aber auch so viele Leidensgeschichten. Es
wundert mich, wie meine Freunde so viel Leid ertragen konnten, ohne,
dass ihre kleinen Seelchen zerbrachen. Wie die schon etwas älteren
Zwillinge Marte und Jupiter, die kleine Heidi, die
Heidi |
Gador und Winnetou, Foto: FL |
Paulinchen, Foto: Finca Lucendum |
Kürzlich erreichte mich die sehr
traurige Nachricht, dass meine liebste Freundin Paulinchen in hohem
Alter über die Regenbogenbrücke gegangen ist. Sie ist eine
herzensgute Seele gewesen und hat allen das Gefühl gegeben, sie
seien auf der Finca.willkommen. Obwohl ich über ihren Tot sehr
traurig bin, weiß ich sicher, dass sie vom Sirius auf uns herunter
schaut und mit einem Lächeln auf den Lippen das fröhliche Treiben
auf der Finca Lucendum beobachtet.
Unai und Samantha, Foto: FL |
Meine Tochter und ihr Freund
Als meine
Samantha mir ihren Freund Unai vorstellte, da wußte ich sofort, dass
ich mir keine Sorgen mehr um sie machen muß. Jeder, der die
unvorstellbar große Liebe zwischen den beiden nicht sofort erkennt,
muß blind sein. Samantha himmelt ihren Unai an und der große,
ruhige Unai ist rührend zärtlich ihr gegenüber. Beide waren vom
ersten Augenblick an unzertrennlich.
Foto: Finca Lucendum (FL) |
Gisi und Ralf
haben den beiden versprochen, dass sie für immer auf der Finca
bleiben dürfen. Samantha ist immer noch sehr scheu und läßt sich
kaum von Menschen anfassen. Gisi und Ralf haben aber die Verbindung
zwischen Samantha und Unai sofort gespürt, was ich früher
eigentlich bei Menschen für unmöglich gehalten habe. Ich bin sehr
glücklich, dass meine liebe kleine Tochter so ein wunderbares Leben
hat.
Die Angst um meine Babies
Es war mein
sechster Winter und der erste, in dem ich nicht frieren mußte. Es
regnete, wie immer, aber wir durften im Haus bleiben. Wir bekamen
immer genug zu essen und durften es uns aussuchen, wo wir schlafen
mochten. Alles wäre gut gewesen, wenn ich mir nicht so große Sorgen
um meine ungeborenen Babies hätte machen müssen. Als ich schwanger
wurde, waren wir ja alleine in dem verfallenen Haus und es dauerte
danach noch Wochen, bis Gisi und Ralf uns fanden. Ich wußte damals,
dass ich nicht in der körperlichen Verfassung für eine
Schwangerschaft war. Ich ahnte, dass die Geburt nicht einfach werden
würde. Aber
Samantha, Foto: FL |
Kurz vor
Weihnachten war es dann so weit. Mein kleiner Sohn war relativ
problemlos zur Welt gekommen und er schien auch gesund zu sein. Nach
stundenlangen Wehen gebar ich meine süße kleine Tochter, der ich
gerade noch sagen konnte, wie sehr ich sie liebe, bevor sie in meinen
Armen verstarb. Mit Hilfe von Gisi und Ralf habe ich sie beerdigt.
Nun ist sie ein kleines Engelchen und flitzt sicher fröhlich hin und
her.
Mein kleiner
Sohn wurde Muffin getauft. Er ist ein lieber Kerl, nur klein blieb er
nicht lange. Er geriet ganz nach seinem Vater und ist ein sehr großer
und kräftiger Junge. Er ist eine Frohnatur und bei allen beliebt.
Muffin und Pia, Foto: FL |
Nachdem meine
geliebten Kinder so gut versorgt waren, hatte ich Zeit, über mich
nachzudenken. Wie gesagt, es war alles perfekt auf der Finca - die
Menschen, die Freunde, die Sicherheit, einfach alles. Aber ich fing
allmählich doch an, mich etwas unwohl zu fühlen. Sehr lange wußte
ich nicht, woran es lag. Es lebten ja viele Hunde auf der Finca und
sie spielten wirklich gerne miteinander. Deshalb war es oft ziemlich
stürmisch und laut. Ich bin aber eher eine Einzelgängerin und hatte
keine Lust zu diesen Gruppenspielen. Außerdem waren ein paar Hunde
auf der Finca eingetroffen, denen es sehr viel schlechter ging als
mir. Ich muß zugeben, dass ich schon sehr eifersüchtig auf meine
Menschen war und meinen Platz - zum Beispiel auf dem Schoß -
knurrend verteidigte. Das hätte ich eigentlich nicht gesollt, aber
ich wünschte mir Gisi und Ralf eigentlich für
Pia |
Gisi und Ralf
sind die einfühlsamsten Menschen, denen ich begegnet bin. Eines
Tages nahmen sie mich in den Arm und fragten direkt, wie ich es denn
fände, wenn ich eine eigene Familie bekäme. Ich wußte nicht
richtig zu antworten, denn dafür müßte ich ja Finca verlassen.
Vielleicht waren dort wieder böse Menschen, die mich schlugen und
quälten. Diese gab es ja leider überall. Ich wußte nicht, ob ich
dann doch lieber weiter einsam wäre.
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